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Die Farbe der Liebe ist nicht Rot
Die Farbe der Liebe ist nicht Rot

Die Farbe der Liebe ist nicht Rot

(Leseprobe aus "Hautnah - sinnliche Begegnungen)

 

S.B.Sasori

 

 

„Arschficker!“ Eddies Stimmbruchtimbre scholl vom Bürgersteig über die Balkonbrüstung. Finn erstickte seinen genervten Seufzer mit einem Schluck Kaffee. Nachbarkinder waren doch was Feines, wenn man sie nur regelmäßig verprügeln dürfte.

„Nougatstecher!“

Jepp, das war mit Abstand sein Lieblingsschimpfwort. Finn hielt die Hand hoch und zeigte den Kröten auf dem Bürgersteig seinen Mittelfinger.

Eddie, der kleine Kugelfisch, nahm die Hände vom Mund, mit denen er zum Lauter-Brüllen-Können einen Trichter geformt hatte. Sein bekloppter Freund bog sich vor Lachen.

„Soll ich den Hausmeister mal dezent zur Seite nehmen und ihm verraten, wer die formvollendeten Schmierereien an die Haustür gekliert hat?“ Seit gestern stand quer über dem Eingang der klangvolle Namen Eddie in lila Schnörkeln.

Eddies hämisches Lachen fiel ihm vom feisten Gesicht.

„Wenn du schon meinst, was Cool-Verbotenes in deinem zarten Alter tun zu müssen, dann unterzeichne nicht mit deinem Namen. Tags dienen der Anonymisierung, du Spast.“

„Du hast keine Beweise, Schwanzlutscher.“

Hmm, auch eine feine Betitelung für Männer seiner sexuellen Ausrichtung. Mit ein bisschen Glück kam noch das klassische Schwuchtel. Nicht originell, aber das dicke Kerlchen war ja auch erst neun. Damit also lernfähig.

„Tausend Leute heißen Eddie, du Schwuchtel!“

Bingo.

Gelassen griff Finn zu seinem Smartphone und winkte damit. Im Leben würde es ihm nicht einfallen, diese Dumpfnasen bei was auch immer zu fotografieren, aber das wusste Eddie ja nicht. Der biss sich auf die Lippen und sah dabei aus wie ein Hängebauchschwein mit Überbiss. „Und was haben Sie jetzt vor, Herr Themme?“

Sieh mal da, plötzlich avancierte er in den Augen dieses Mistbalgs zu Herrn Themme. War er nicht eben noch ein Schwanzlutscher gewesen? „Ich überlege es mir noch. Halte bis dahin besser die Füße still und vor allem deinen Mund geschlossen.“

Eddie wechselte von rot nach weiß. Dann stieß er seinen Kumpel an und beide zogen ab.

Viel Spaß beim Kopfkino.

 

Vom Obstladen drang der frische Duft reifer Orangen zu ihm. Finn lehnte sich zurück, schloss die Augen. Berlin im Mai war die reinste Verführung und ein Tag wie dieser war definitiv zu schade, um weggearbeitet zu werden.

Ob der Artikel über den Missbrauch von Steroiden im Freizeitsport morgen oder übermorgen fertig wurde, war gleichgültig. Abgabetermin war erst Donnerstag. Bis dahin war noch genug Zeit. Ob er sich später mit Maik treffen könnte? Und vorher vielleicht ein paar Runden um den Block mit seinem Baby. Nur zum Auspuff aufzuheizen. Dann in seine Lieblingskneipe den Tag ausklingen lassen und sehen, was noch ging. Oder auch nicht. Musste heute nicht sein.

Finn wuschelte sich durch die Haare. Ein Friseurbesuch wäre eine gute Idee. Nicht jeder stand auf ausgewachsene Strähnen. Auch dann nicht, wenn sie nussbraun waren. Finn blies eine von ihnen aus dem Gesicht. Und wenn sich heute Abend doch etwas ergab? Was Hübsches, Schlankes mit blauen Augen? Oder grünen. Das sah auch klasse aus. Und der Mund musste küssbar sein. Das war ganz wichtig. Ruhig ein bisschen zu groß, das bot mehr Kussfläche. Nicht zu schmal, sonst gingen die Bisse gleich ins Gesicht und nicht in die Lippen. Außerdem wirkten schmale Lippen unentspannt. 

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